TAG DER FAHNE
Meine Kindheit und Jugend erinnere ich sorgenfrei und priviligiert.
Heute ziehe ich den Hut vor den Erwachsenen, die mich umgaben, waren doch die Schrecken des Krieges noch nicht lange vorbei.
Erst viel später, ich muss ungefähr 10 Jahre alt gewesen sein, erfuhr ich ein wenig.
Da machten wir Urlaub in Kärnten, bei netten Bauern am Ossiachersee, ich trieb mich bei den Tieren herum, schwamm viel, war dauernd im Wald.
Aber abends hörte ich die Erwachsenen reden. Der Herr T. und seine Frau sprachen immer wieder von Griechenland und von Polen, und was für ein Glück es war, dass der Herr T der Bursche meines Vaters war.
Weil sonst wär alles anders gewesen.
Vater freute sich so den Herrn T so gesund und munter zu erleben, er machte sich ja in Karelien grosse Sorgen um ihn.
Mutter sprach von den Bauern in Zwettl, wo sie auf Anraten meines Vaters mit meinem älteren Bruder 1 1/2 Jahre verbrachte.
Dass sie von Wien mit dem Baby im Kinderwagen zu Fuss ins Waldviertel ging, fand ich etwas übertrieben..."Die Russen" hielt ich für Urlauber, mein Bruder erzählte von Lagerfeuern und Liedern, meine Mutter betonte ihre Kinderfreundlichkeit.
Die Greueltaten wurden vor den Kindern niemals erwähnt.
Von der Vergewaltigung meiner Mutter, die zu ihrem Entsetzen nicht ohne Folgen blieb, erfuhr ich erst mit 18.
Wie froh sie damals war, dass ihre Mutter einen Arzt kannte, der die streng verbotene Abtreibung vornahm.
Immer betonte sie, wie verständnisvoll mein Vater reagierte, der "dann endlich zurückkam",
und wie froh sie war wieder ein Kind auszutragen, nämlich mich.
Heute verstehe ich auch ihre Verwirrung über mich, ich liebte Birken und Schnee, wollte von Vater mehr über Russland erfahren, das er mir in schönen Farben schilderte. Ich hatte ja erfahren, dass er lange dort war, während Mutter mit meinem Bruder bei Omi und Opa wohnte.
In dieser Zeit war Vater längere Zeit in Amerika, beruflich, er war in der Gewerkschaft tätig, brachte mir einen roten Regenschirm mit und war erstaunt wie gross ich geworden war.
Da war ich 8 Jahre alt.
Ich wurde von Doris zu Datja und verstand nicht, dass mich Vater inständig bat, nicht dauernd von Russland zu reden, Mutti weint dann immer.
Aber ich hielt mich daran, ich wollte sie ja nicht kränken.
Verstanden hab ichs nicht.
Dass er vor meiner Geburt lange in Russland war und vorher beim Olymp und dann in Posen liess ihn als Reisenden erscheinen, der viel gesehen hat und urviel weiss.
Und noch mal später, meine beginnende Pupertät verwirrte mich schon, setzte ich Puzzlestein und Puzzlestein zusammen und formte mir ein Bild.
Erst als ich 20 Jahre alt war, begann ich mich wirklich auszukennen.
Da trug ich oft ein rotes Palästinensertuch und begann zu demonstrieren.
Es kam der beste Freund meines Vaters auf dessen Einladung hin nach Wien, Martin Sch. wurde vom Flughafen Schwechat mit viel tamtam abgeholt. Schau, das ist der Martin, der war mit mir in Salzburg im Gymnasium, den hab ich 1938 zum Zug gebracht, er konnte nach Palästina ausreisen. Martin erzählte von seinem Schrecken, dass Vater, in Uniform, seinen Koffer trug und ihn bis zum Waggon geleitete.
Und dann erzählte Martin. Der als einziger seiner Familie überlebte.
Ein Jahr später kam dann seine Tochter Iris, in Tel Aviv geboren, für 2 Jahre zu uns, sie wohnte in der Garcionnaire unserer Villa und studierte Musik. Durch Iris wurde ich Sekretärin beim Jüdischen Nationalfonds in Wien, "der jiddischte Goi" wurde ich genannt, die Enkel der Tante Jolesch lehrten mich viel, sehr viel ...
Natürlich besuchte ich Israel und trieb mich in Kibbuzim herum...
Meine Weltanschauung war eindeutig und klar, doch etwas naiv.
Ich glaubte auch lange, der jährliche Fahnenschmuck an meinem Geburtstag habe wirklich damit zu tun. Wegen MIR war schulfrei und die Häuser geschmückt. "Ist das nicht toll, ganz Österreich feiert deinen Geburtstag !"
Da kann man nur selbstbewusst werden.
Vater wird mir immer fehlen.
Heute ziehe ich den Hut vor den Erwachsenen, die mich umgaben, waren doch die Schrecken des Krieges noch nicht lange vorbei.
Erst viel später, ich muss ungefähr 10 Jahre alt gewesen sein, erfuhr ich ein wenig.
Da machten wir Urlaub in Kärnten, bei netten Bauern am Ossiachersee, ich trieb mich bei den Tieren herum, schwamm viel, war dauernd im Wald.
Aber abends hörte ich die Erwachsenen reden. Der Herr T. und seine Frau sprachen immer wieder von Griechenland und von Polen, und was für ein Glück es war, dass der Herr T der Bursche meines Vaters war.
Weil sonst wär alles anders gewesen.
Vater freute sich so den Herrn T so gesund und munter zu erleben, er machte sich ja in Karelien grosse Sorgen um ihn.
Mutter sprach von den Bauern in Zwettl, wo sie auf Anraten meines Vaters mit meinem älteren Bruder 1 1/2 Jahre verbrachte.
Dass sie von Wien mit dem Baby im Kinderwagen zu Fuss ins Waldviertel ging, fand ich etwas übertrieben..."Die Russen" hielt ich für Urlauber, mein Bruder erzählte von Lagerfeuern und Liedern, meine Mutter betonte ihre Kinderfreundlichkeit.
Die Greueltaten wurden vor den Kindern niemals erwähnt.
Von der Vergewaltigung meiner Mutter, die zu ihrem Entsetzen nicht ohne Folgen blieb, erfuhr ich erst mit 18.
Wie froh sie damals war, dass ihre Mutter einen Arzt kannte, der die streng verbotene Abtreibung vornahm.
Immer betonte sie, wie verständnisvoll mein Vater reagierte, der "dann endlich zurückkam",
und wie froh sie war wieder ein Kind auszutragen, nämlich mich.
Heute verstehe ich auch ihre Verwirrung über mich, ich liebte Birken und Schnee, wollte von Vater mehr über Russland erfahren, das er mir in schönen Farben schilderte. Ich hatte ja erfahren, dass er lange dort war, während Mutter mit meinem Bruder bei Omi und Opa wohnte.
In dieser Zeit war Vater längere Zeit in Amerika, beruflich, er war in der Gewerkschaft tätig, brachte mir einen roten Regenschirm mit und war erstaunt wie gross ich geworden war.
Da war ich 8 Jahre alt.
Ich wurde von Doris zu Datja und verstand nicht, dass mich Vater inständig bat, nicht dauernd von Russland zu reden, Mutti weint dann immer.
Aber ich hielt mich daran, ich wollte sie ja nicht kränken.
Verstanden hab ichs nicht.
Dass er vor meiner Geburt lange in Russland war und vorher beim Olymp und dann in Posen liess ihn als Reisenden erscheinen, der viel gesehen hat und urviel weiss.
Und noch mal später, meine beginnende Pupertät verwirrte mich schon, setzte ich Puzzlestein und Puzzlestein zusammen und formte mir ein Bild.
Erst als ich 20 Jahre alt war, begann ich mich wirklich auszukennen.
Da trug ich oft ein rotes Palästinensertuch und begann zu demonstrieren.
Es kam der beste Freund meines Vaters auf dessen Einladung hin nach Wien, Martin Sch. wurde vom Flughafen Schwechat mit viel tamtam abgeholt. Schau, das ist der Martin, der war mit mir in Salzburg im Gymnasium, den hab ich 1938 zum Zug gebracht, er konnte nach Palästina ausreisen. Martin erzählte von seinem Schrecken, dass Vater, in Uniform, seinen Koffer trug und ihn bis zum Waggon geleitete.
Und dann erzählte Martin. Der als einziger seiner Familie überlebte.
Ein Jahr später kam dann seine Tochter Iris, in Tel Aviv geboren, für 2 Jahre zu uns, sie wohnte in der Garcionnaire unserer Villa und studierte Musik. Durch Iris wurde ich Sekretärin beim Jüdischen Nationalfonds in Wien, "der jiddischte Goi" wurde ich genannt, die Enkel der Tante Jolesch lehrten mich viel, sehr viel ...
Natürlich besuchte ich Israel und trieb mich in Kibbuzim herum...
Meine Weltanschauung war eindeutig und klar, doch etwas naiv.
Ich glaubte auch lange, der jährliche Fahnenschmuck an meinem Geburtstag habe wirklich damit zu tun. Wegen MIR war schulfrei und die Häuser geschmückt. "Ist das nicht toll, ganz Österreich feiert deinen Geburtstag !"
Da kann man nur selbstbewusst werden.
Vater wird mir immer fehlen.
datja - 27. Okt, 08:31
Sehen Sie die rote Fahne, die ich Ihnen zu Ehren schwinge - nur das Allerbeste und viel davon, liebe Elfenhäuslerin! (Der Klarinettist meines Herzens hat übrigens am 25. Oktober...)
und jetzt ist mir vieles klar...
;)))